Städtisches Museum

Hinter Museumsmauern leben und arbeiten

Im Film „Nachts im Museum“ kämpft Nachtwächter Larry mit den aufmüpfigen Exponaten, die lebendig werden und das Museum unsicher machen. Im städtischen Museum in Überlingen kann man ebenfalls zur Nachtzeit immer wieder Gestalten durch die Räume laufen sehen.

Mit einem großen Unterschied: Bei den „Gestalten“ handelt es sich um Božena und Peter Graubach, ihre zwei Töchter und drei Katzen. Sie alle wohnen im Museum. Peter Graubach ist dort praktisch aufgewachsen, denn bereits sein Großvater und Vater sind dem Beruf des Kustos nachgegangen. Als Kustos kümmert er sich gemeinsam mit seiner Frau um alle Belange des Städtischen Museums.

Das heißt konkret, dass er für das komplette Haus zuständig ist - ob es dabei um die Instandsetzung oder Umbauten geht, um den Tagesablauf innerhalb des Museums, die Planungen für die große jährliche Sonderausstellung oder deren Umsetzung und Bau mit entsprechender Präsentationsfläche – um nur ein paar der Aufgaben zu nennen. Stolze 1200 qm Ausstellungsfläche verteilt auf 4 Etagen verlangen täglich höchste Aufmerksamkeit. Und die Besucher lieben die Dauerausstellungen und die große jährlich wechselnde Ausstellung gleichermaßen. Dazu kommen regelmäßig Hochzeitsgäste, die sich im stattlichen Museumssaal das Ja-Wort geben und darauf hoffen, bei schönem Wetter ihre Gäste im Panoramagarten des Museums empfangen zu können.

Prachtvoller spätgotischer Bau mit großem Panoramagarten

Bereits 1871 wurde das Museum gegründet und zählt zu den ältesten und größten kulturhistorischen Museen im Bodenseeraum. Der prachtvolle spätgotische Bau mit dem vorgelagerten großen Garten blickt vom höchsten Hügel der Überlinger Altstadt stolz in Richtung See. Nach neueren Forschungen dokumentiert die elegante Renaissancefassade von 1462 mit ihren Rustikaquadern den frühesten Einfluss der italienischen Renaissance nördlich der Alpen.

Dass Peter Graubach in der dritten Generation seiner Familie hier arbeitet ist keine Selbstverständlichkeit. Wie sein Vater und Großvater vor ihm musste er sich auf die vielseitige Stelle bewerben, brachte jedoch nach vorhergehenden Tätigkeiten als Schreinermeister in der größten Schreinerei im schweizerischen Basel genügend Erfahrungen mit, was den Innenausbau von Museumsräumen betrifft – vor allem jedoch Leidenschaft für das Gebäude, das ihm seit seiner Kindheit bestens vertraut war.

Von April bis Dezember teilt Familie Graubach das Museum an bis zu sechs Tagen in der Woche mit Besuchern, montags wandeln nur sie und die Katzen durchs Haus. Nachgefragt, wie das denn sei, in einem „öffentlichen Gebäude“ zu leben, antworten Graubachs unisono, dass es sich fast so anfühle, als wäre es ihr eigenes Haus und sie sich deshalb wie selbstverständlich verantwortlich für alles fühlen. Und für die beiden Töchter, die kein anderes Zuhause kennen, sei es völlig normal, an Ruhetagen oder nach der Schließung des Museums am Abend mit Freundinnen im großen Garten zu sitzen.

Im Stadtmuseum gibt es immer wieder "neues Altes" zu entdecken

Von der täglichen „Routinearbeit“ abgesehen, bringt die jährliche Sonderausstellung eine große Herausforderung mit sich. Gemeinsam mit der Abteilung Kultur der Stadt werden Themen gesucht und schließlich umgesetzt, wobei sich Familie Graubach alleine um die Realisierung der Darstellungsfläche kümmert. Sie entwickeln Ideen, denen Peter Graubach in stundenlanger Arbeit in seiner Werkstatt eine Gestalt gibt. Er schätzt die Vielseitigkeit seines Berufes und dass er in Eigenregie arbeiten kann.

Außerdem gibt es im Stadtmuseum immer wieder „neues Altes“ zu entdecken. Zum Beispiel als in der seit Jahren geschlossenen historischen Waffenkammer viereckige Geschosse gefunden wurden, von deren Existenz man weltweit bis dato nur die Vermutung hatte, dass sie existieren könnten. Bei den eckigen Geschossen handelte es sich um Prototypen aus der Zeit um den Dreißigjährigen Krieg. Bis zu ihrer Entdeckung durch Peter Graubach und einen Hauptkommisar gab es nur Zeichnungen davon – der Fund lieferte den Beleg, dass sie tatsächlich existierten.

Die Kiste, in der sich die Munition befand, gehörte schon jahrzehntelang zum Besitz des Museums, erst 2013 wurde sie schließlich entdeckt, als die Waffenkammer nach ihrer Schließung in den 50er Jahren wiedereröffnet worden war. „Man lernt hier immer dazu“ sagt Peter Graubach stolz. Auf die Frage, wohin sie denn irgendwann einmal ziehen würden, wenn sie altersbedingt nicht mehr im Museum arbeiten können: „Genau zwei Häuser weiter, denn da ist mein Elternhaus.“ Womit Graubachs immer das leben können, was sie sehr schätzen, eine abwechslungsreiche Beständigkeit.

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